Samstag, 12. Februar 2011

Love can change a person.

墮落天使
Fallen Angels
(Wong Kar-Wai, 1995)

Der Auftragskiller Wong Chi-Ming (Leon Lai) fühlt sich im Hongkong der 90er Jahre nach einer mehrjährigen Zusammenarbeit zu seiner Partnerin (Michelle Reis) hingezogen, obwohl sich die beiden in all den Jahren nur äußerst selten von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden sind. Seine Vorstellungen von einer funktionablen Geschäftsbeziehung setzen jedoch voraus, keine emotionale Affinität zu seinen Partnern und Partnerinnen aufzubauen, weswegen er den Entschluss fasst, nach seinen nächsten Aufträgen die Partnerschaft zu beenden. Was er nicht weiß, ist, dass seine Partnerin eine ähnliche Anziehung ihm gegenüber empfindet, diese aus Schüchternheit jedoch verschweigt, sich selbst in eine sexuell-obsessive Phantasie drängend. Sie spürt, dass Chi-Ming im Begriff ist, ihre gemeinsame Beziehung zu durchtrennen, versinkt deshalb zunehmend in eine tiefe Hoffnungslosigkeit, ausgelöst durch das abweisende Gebaren ihres desillusionierten Vertrauten. Gleichzeitig versucht der verstummte Herumtreiber He Zhiwu (Takeshi Kaneshiro) auf unkonventionellste Art und Weise auf sich aufmerksam zu machen und die Welt ein klein wenig zu verändern. Mit einem unbeschwerten Labsal streift er durch das grell illuminierte Hongkong der Nacht, dringt in abgeschlossene Läden und zwingt ängstliche Passanten zur Annahme seiner Dienstleistungen. In seiner Leichtigkeit driftet er durchs Leben, bis auch er der Liebe verfällt.

Der konstante Einsatz von Weitwinkelobjektiven
prägt die Optik von "Fallen Angels"
"Fallen Angels" ist einer dieser wenigen Filme, die es schaffen, eine einzigartig distinktive Optik zu kreieren, diese bis zur Vollendung zu betonen, und dabei dennoch eine Geschichte zu erzählen, die diesem Look würdig ist. Das australische Exportgut Christopher Doyle zählt mittlerweile zweifellos zu den Ausnahmekönnern in seiner Branche, und untermauerte dies durch seine Kameraführung in "Fallen Angels" eindrucksvoll. Im Zusammenspiel mit der traumhaften Inszenierung Kar-Wais und dem herausragenden Schnitt von William Chang und Ming Lam Wong erschuf er praktisch eine eigene Bildsprache, geprägt von einer selektiert eindringlichen Farbgebung, der Variation in der Schnittfrequenz und einem unbeschwerten Zusammenspiel verschiedener Kameraobjektive, -filter und Einstellungsgrößen, um den rezeptiven Zugang für den Zuseher möglichst vielseitig zu modifizieren. Wie umfangreich Wong Kar-Wais Film allein optisch ist,  lässt sich nur schwer beschreiben. Man erlebt eine Mischung aus der kühlen, schnellgeschnittenen Mechanisierung scheinbar alltäglicher Prozesse, der farbenfrohen vitalen, emotionalen Welt, die die Protagonisten durchschreiten, dem expressiven Einsatz der Monochromie und aus Einstellungen, in denen das Geschehende den physikalischen Grundgesetzen zu widersprechen scheint, dies jedoch auf derart subtil verträumte Weise,  dass man es einfach nur als wunderschön bezeichnen kann.

Eine kräftige Farbgebung dominiert das Bild
Die Geschichten, die in "Fallen Angels" erzählt werden, sind einerseits skurrile Episoden extravaganter Persönlichkeiten, die zurückgezogen in ihren eigenen Welten leben, andererseits sind sie jedoch auch von einer Tragödie durchsiebt, scheinen sich allesamt in eine emotionale Sackgasse verfahren zu haben, ohne Perspektive, ohne Zukunft. Und dennoch droht Kar-Wais Film nie in die Belanglosigkeit abzudriften, zu tiefgründig sind seine Charaktere, ebenso ihre Handlungen und zu respektvoll ist des Regisseurs Umgang mit ihnen. Häufig wird der Part um den stummen Bummler als Negativpunkt in der Handlung gesehen, der Stilbruch sei zu groß, der groteske Humor sei unpassend, doch im Grunde zeichnet dieser Teil durch seinen kontrastierenden Effekt zum vorhergehenden Erzählstrang "Fallen Angels" als Gesamtwerk erst richtig aus. Denn trotz dieser Diskrepanz verbinden sich die beiden Geschichten in ihren Motiven, ihren Figuren und deren Motivationen vollkommen unbekümmert; sie sind verlorene Seelen, abgegrenzt von gesellschaftlichen Normen, gelenkt durch Gefühle, Affekte auf der Suche nach einem Konsens mit sich selbst und der Liebe.

In impressiven Bildern erzählt Wong Kar-Wai in seinem Film "Fallen Angels" eine Geschichte über Liebe, Obsession, Ideale, Enttäuschung und Schicksal. Ein Film der eindrucksvoll erläutert, warum der Autorenfilmer aus Shanghai mittlerweile zu den angesehensten Arthouse-Regisseuren der Welt gezählt wird.

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