Sonntag, 6. Februar 2011

Exterminating all rational thought.

Naked Lunch
(David Cronenberg, 1991)

Ein zahlreiche Male gescheiterter Kammerjäger, William "Bill" Lee (Peter Weller), sieht sich im New York der 50er Jahre mit dem Problem konfrontiert, dass sein virulentes Insektizid regelmäßig geraubt wird. Sein Chef macht ihn dafür verantwortlich, weist ihn ein wenig zurecht, in der Meinung, dass Bill es ist, der das Insektengift unterschlägt. Zuhause erkennt Bill, dass es seine Frau Joan (Judy Davis) ist, die das Gift gestohlen hat und sich als Halluzinogen spritzt, um, wie sie es beschreibt, einen literarischen Rausch zu erleben, auf Kafka und dessen "Die Verwandlung" anspielend. Kurzerhand entscheidet sich Bill dazu, sich ebenfalls einen Schuss der obskuren Droge zu setzen und schlittert erstmals in eine bizarre Welt. Bei der Arbeit bitten ihn zwei Polizisten, mit ihnen aufs Revier mitzukommen, wo Bill anschließend einem Verhör unterzogen wird, mit der Begründung, er wäre im Besitz von suchterzeugenden Substanzen. Vor ihnen soll er demonstrieren, dass das Pulver, das er zum Töten von Ungeziefer verwendet, auch wirklich ein Insektizid ist. Aus einer Schachtel nehmen sie einen überdimensionalen Käfer, legen ihn ins scheinbar giftige Pulver und verlassen den Raum, um, wie sie erklären, später wiederzukommen und zu sehen, ob das Kerbtier noch am Leben ist. Der Käfer entpuppt sich als Organisator dieses Treffens und befiehlt Bill seine Frau Joan zu töten.

Bei einer hypothetischen Diskussion über die kreativsten und originellsten Regisseure der letzten vierzig Jahre ließe sich David Cronenberg nur sehr schwer exkludieren, denn mit seinem grotesk surrealistischen Stil hat er sich unlängst einen Namen gemacht und gilt mittlerweile gar als Begründer eines eigenen Subgenres, dem Body Horror. Was seine Filme auszeichnet, sind ihre skurrilen Bilder und ihre meist düstere Atmosphäre, gekennzeichnet durch den körperlichen Verfall eines Menschen, meist in blutigen und höchst bizarren Formen dargestellt. "Naked Lunch" basiert auf dem 1959 erschienenen, gleichnamigen Roman William Seward Burroughs', welcher über Jahre hinweg als nicht verfilmbar bezeichnet wurde, da seine bildhaften Darstellungen in eine cineastische Form nicht übersetzbar gewesen seien. Cronenberg versuchte es dennoch und bediente sich in seinem Drehbuch zusätzlich autobiografischer Geschehnisse Burroughs'. Trotz des Bekanntheitsgrades der Vorlage und dem in den 90er Jahren bereits namhaften David Cronenberg hinter der Kamera floppte "Naked Lunch" an den Kinokassen und avancierte erst später zum Kultfilm.

Cronenbergs Inszenierung ist auch in "Naked Lunch" gewohnt großartig, geprägt von unsagbarem Einfallsreichtum und einer perfektionistischen Liebe zum Detail. Besonders die künstlich erstellten Charaktere gefallen durch ihre fantastische Machart und extrem realistische Feinmotorik. Allerdings hat dies auch seine Schattenseiten, ein Problem das in einigen Filmen Cronenbergs akut ist, denn das Talent diese surrealistischen Figuren und Masken zu bilden, setzt Cronenberg oftmals zu exzessiv ein, versucht seinem langsamen Erzählfluss auf diese Weise Schwung zu geben, scheitert jedoch häufig. Ähnliche Schwierigkeiten hatte auch "Videodrome", ein kritischer Film über die Darstellung von Sex und Gewalt im Fernsehen, dessen Handlung sich gegen Ende auf eine Aneinanderreihung abstrus halluzinativer Szenen beschränkt. "Naked Lunch" unterscheidet sich davon kaum, driftet in ein Meer surrealer Ereignisse ab, ohne einen handfesten Bezug zur Realität zu wahren, weitgehend auch befreit von Metaphern und Allegorien. Was schade ist, denn das Talent kann man Cronenberg nicht  absprechen, seine Inszenierungen sind stark, doch das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit ist ein wiederkehrendes Erschwernis in seinen Filmen, das den Zugang zu ihnen unnötig verkompliziert. Ein Problem, das jedoch eher bei seinen älteren Werken besteht, denn in den jüngsten Jahren neigt er zu  konventionelleren und direkten Filmen, was ich in seinem Fall sehr begrüße.

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