Mittwoch, 23. Februar 2011

Broken mirrors and broken minds.

Suspiria
(Dario Argento, 1977)

Die ambitionierte amerikanische Tänzerin Suzanne Banyon (Jessica Harper) entscheidet sich ihr Studium im Ausland auf einer renommierten Freiburger Ballettschule fortzusetzen. Am Tag ihrer Ankunft beobachtet sie eine verwirrte Schülerin, die angsterfüllt aus den Toren der Schule flieht. Ihr selbst bliebt scheinbar aufgrund der späten Stunde der Einlass verwehrt, weswegen sie spät nachts im strömenden Regen anderswo Unterkunft finden muss. Am nächsten Morgen wird sie von den beiden Leiterinnen der Schule, Madame Blanc (Joan Bennett) und Frau Tanner (Alida Valli), im Internat Willkommen geheißen. Bei ihrem ersten Rundgang durch die Schule schnappt Suzy einen Teil eines Gesprächs zwischen Madame Blanc und der Polizei auf, durch welches sie erfährt, dass das verstörte Mädchen aus der Nacht zuvor, Opfer eines Mordes geworden ist, bei dem auch noch eine weitere junge Frau den Tod gefunden hat, kann sich darauf jedoch zu Beginn noch keinen Reim bilden. In die Gruppe der anderen kann sich Suzy anfangs nur schwer integrieren, findet allerdings in Sandra (Stefania Casini) eine Freundin, die ihr zur Seite steht. Als Suzy erstmals ihr Können vor Frau Tanner unter Beweis stellen soll,  verpatzt sie ihren Auftritt und verliert aufgrund einer Schwächeattacke das Bewusstsein. Nach ihrer Genesung wird sie Abend für Abend von starker Schläfrigkeit geplagt, wodurch Sandras Verdacht geweckt wird, vermutend, dass es auf der reputablen Tanzschule nicht mit rechten Dingen zugeht.

"Suspiria" war der erste vollständig in englischer Sprache gehaltene Film des italienischen Giallo- und Horrorfilmgiganten Dario Argento. Bereits sein zwei Jahre zuvor erschienene "Rosso - Die Farbe des Todes", ein Film über einen von  Erinnerungen seiner Kindheit geplagten Mörder, bedient sich partiell der englischen Sprache, spielt jedoch - wie auch seine ganz frühen Werke - im zeitgenössischen Italien. In "Suspiria" hingegen versuchte Argento erstmals ein breiteres, internationales Publikum anzusprechen, legte die Handlung in der deutschen Stadt Freiburg an (wenn auch großteils in München gedreht) und engagierte sowohl italienische als auch deutsche und amerikanische Darstellerinnen und Darsteller. Trotz dieser Anpassungen blieb Argento seinem eigenwilligen Stil auch in "Suspiria" weitgehend treu, setzte auf seine bewährte, narrativ eher holprig wirkende Inszenierung, evozierte eine weitgehend bedrückende Atmosphäre und spielte sich mit Illusion und Wahrheit, am deutlichsten wohl durch die märchenhafte Farbgebung und die sehr abwechslungsreiche, rasch in den Perspektiven wechselnde, Kameraführung exprimiert.

Leider kommen mit dem phasenweise wundervoll atmosphärischen Regiestil Argentos auch seine gewohnten Probleme. Zum einen verliert "Suspiria"  durch seine unglaublich infantil wirkenden Figuren, deren jeweiliger Gedankengang und deren Handlungen stellenweise alles andere als nachvollziehbar sind, was jedoch zu einem großen Teil auch den hemmungslos überagierenden Schauspielern zu verdanken ist. Auch dramaturgisch fühlt sich Argentos Regie beinahe dilettantisch  an, ein Spannungsbogen kommt im Grunde nie zu Stande, zu prononciert setzt Argento seine Schockszenen ein. So eindrucksvoll sie in sich selbst abgeschlossen auch sein mögen, diese Klimaxe schaden der Gesamtheit des Films im Endeffekt schwer. Was zurückbleibt ist ein Versuch sich innerhalb des Genres zu etablieren, was bei Horrorfans gelungen sein mag, doch cineastisch ist "Suspiria" alles andere als ein Geniestreich.

6 Kommentare:

  1. Mit 'cineastisch' verbinde ich mehr einen näheren Blick auf die Wirkung von Bild und Ton, als eine Bewertung von Inhalt oder Dialog. Und gerade 'filmisch' ist doch Suspiria sehr stark bzw. das treibende Herz. Eindrucksvolle Farben und Formen, darüber Goblin. Ob die Komposition dieser Elemente nun 'genial' ist oder nicht, bleibt dem Betrachter überlassen, aber sicherlich ist das Ganze nicht 'alles andere', sprich, beim absoluten Gegenteil gebaut.
    Bin kein Argento-Experte noch Fan, aber das Fazit hat mich jetzt doch überrascht. :P

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  2. Ich denke, die Definition von "cineastisch" ist generell schwammig, ich verstehe darunter eher einen Blick auf das gesamte Zusammenspiel der von dir genannten Faktoren, wodurch meine Aussage vielleicht verständlicher wird. Denn so eindrucksvoll das Spiel mit den Farben und Formen auch sein mag, als Unterstützung der zeitweise trivialen Handlung und des hoffnungslosen Over-actings funktioniert es dennoch kaum. Zumindest bei mir nicht, und ich kann nun mal nur meinen eigenen Eindruck niederschreiben ;)

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  3. Ja stimmt, das Wort ist schon sehr auslegbar. Im Grunde stimme ich Dir in vielen Teilen zu, das schlechte Spiel und die schwachen Dialoge kann man nur schwer leugnen. Fand gerade das Ende ziemlich trashig. Aber Bilder und Töne haben sich fest gebrannt, zB diese irrsinnig große Szene mit dem Blinden auf dem kahlen Platz. Fand ich 'extrem cineastisch'...was immer das auch bedeuten mag. :D

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  4. Ich verstehe dich da gut, leider hat der Effekt bei mir nicht funktioniert. Allerdings gebe ich dir bei der Szene mit dem Blinden auf dem großen Platz recht, die war wirklich was Besonderes :D

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  5. Bei dem Punkt der Narration stimme ich Dir vollkommen zu. Argento war lange mein Problem. Ich habe fast 20 Jahre gebraucht, um seine Methode zu verstehen. Er folgt leider keiner deduktiven Vorgehensweise, sondern einer induktiven. Ein breites Publikum hat er aber schon immer angesprochen. Seine Pseudo-Edgar-Wallace-Verfilmungen waren internationale Gassenhauer und sich David Hemmings für ROSSO - FARBE DES TODES zu sichern, war auch künstlerisch gewichtig. Die schizoide Dissozialität seiner Traumstruktur habe ich erst knacken können, als mir klar wurde, dass man seine angedeuteten - oft schlecht erstellten Narrationen - als verzweifelte "Ratiodurchläufe" von Traumbildern lesen kann.

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  6. Sehr interessanter Ansatz, werde beim nächsten Anlass einmal versuchen, darauf zu achten. Ich hab in "Suspiria" weitgehend selbst versucht, dem phasenweise omnipräsenten traumähnlichen Charakter auf den Grund zu gehen, und habe mich dabei wohl zu sehr auf eine mögliche Ambiguität im Auftreten der Farben versteift, in der Hoffnung, dass sich eine gewisse Traumstruktur dadurch selbst entschlüsselt. Allerdings ist es dazu nicht gekommen, was sich durch die von dir betitelten "verzweifelten 'Ratiodruchläufe' von Traumbildern" ja erklären ließe. Ich werde deine Deutung mal für kommende Sichtung im Hinterkopf behalten.

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