Exit Through the Gift Shop
(Banksy, 2010)

Unter dem Pseudonym Banksy arbeitet seit den frühen 90ern ein Street Art-Künstler, welcher mittlerweile zu den berühmtesten Figuren der Szene zählt. Hinter dem Namen verbirgt sich wahrscheinlich der 1973 geborene Brite Robin Gunningham, welcher in seinen künstlerischen Anfangsjahren mit besonderer Vorliebe fremde Wände in Bristol und London schmückte, jedoch sein „Revier“ im Zuge gestiegener Popularität expandierte und heute in zahlreichen Städten rund um den Globus verewigt ist. Thierry Guetta lautet der tatsächliche Namen des französischen Filmemachers, aus dessen Sammlung die Aufnahmen der dokumentierten Street-Artists stammt, um die es sich zu Beginn von „Exit Through the Gift Shop“ dreht. Guetta verspürte jedoch ausgelöst durch seine Bekanntschaften und Beziehungen die Anziehungskraft der Straßenkunstszene und begann unter dem Decknamen Mr. Brainwash selbst als freischaffender Künstler Bekanntheit zu erlangen.
Die kontrastierenden Unterschiede zwischen Banksy und Mr. Brainwash sind einerseits ein Hauptaugenmerk des Films, welches massive Kritik sowohl an der massenkompatiblen Kunst als auch am durchschnittlichen Kunstkonsumenten ausübt und andererseits auch eine Welle an Spekulationen ausgelöst hat, welche Teile des Films denn wirklich authentisch sind beziehungsweise ob es sich bei „Exit Through the Gift Shop“ tatsächlich um eine Dokumentation handelt. Der Perspektivenwechsel zwischen Guetta und Banksy, bei dem die dokumentierten Aufnahmen Guettas verabschiedet werden und aus Banksys Sicht weitererzählt wird, verlieht dem Film eine vollkommen eigene Atmosphäre, er erschafft das Gefühl einer fiktiven Ebene, die Zweifel an den als Wahrheit präsentierten Fakten aufkommen lässt. Kritisiert wird vielerorts auch der unrealistisch rasante Aufstieg Guettas in der Kunstszene, den Banksy selbst mokant kommentiert:
„Most artists take years to develop their style, Thierry seemed to miss out on all those bits.“
Dass die schrullige Figur Guettas durch Bemerkungen wie „I don't know how to play chess, but to me, life is like a game of chess“ auch seinen Beitrag zum allgemeinen Zweifel an der Authentizität des Films leistet, ist selbstredend, selbiges gilt auch für (eventuell) widersprüchliche Aussagen im Bezug auf Thierry Guettas Video-Sammlung. Irgendwo in der Mitte des Films scheint die Grenze zwischen Realem und Schwindel zu versickern. Es geht aus „Exit Through the Gift Shop“ nicht eindeutig hervor, ob Guetta nicht vielleicht doch nur ein von Banksy erschaffenes Mysterium ist, ein ausgetüfteltes Experiment quasi, welches während seiner Entstehung und Entwicklung so eingefangen wurde, dass sich dieser dokumentarische Stil entwickelt hat. „Exit Through the Gift Shop“ könnte ein weiteres Kapitel in Banksys künsterlischem Schaffen darstellen, ein kritischer Scherz quasi, Satire in Dokumentarverkleidung.
Doch ob dies tatsächlich der Fall ist oder nicht, wird den Stoff für zahlreiche Diskussionen der nächsten Jahre liefern, auch wenn es vielleicht gar keine so große Rolle spielt. Vielmehr verpackt Banksy in seinem Film Kritik einerseits an den zu leicht manipulierbaren, selbsternannten Kunstkennern und andererseits auch an den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Thierry Guetta, dem gebürtigen Franzosen, der in die Vereinigten Staaten ausgewandert ist und trotz erdrückender Talentlosigkeit praktisch über Nacht zu Star geworden ist, steht der verschwiegene, auf seine Anonymität bedachte Banksy gegenüber, welchem erst nach langen Jahren der Arbeit die Anerkennung zuteil wurde, die er verdient. Der Konsument sieht im letztendlichen Werk nie die Vorgeschichte des Künstlers, der Blick hinter die Fassade wird nicht gewagt. Oder vielleicht wird er nicht mehr gewagt, denn Banksy kritisiert die von etablierten Künstlern der Szene kopierten und minimal modifizierten Werke Mr. Bainwashs:
„Warhol repeated iconic images until they became meaningless, but there was still something iconic about them. Thierry really makes them meaningless.“
Vielleicht ist es erst unsere Generation, die mit einem Überfluss an Kunst umspült wird und nicht mehr den kritischen Blick wagt, sich nicht mehr traut, das zu hinterfragen was sie sieht, und stattdessen lieber auf Altbewährtes setzt, und die Konfrontation mit dem Neuen, dem eventuell Kontroversen scheut. Wer weiß schon genau, um wen bzw. worum es sich bei Banksy, „Exit Through the Gift Shop“ und Mr. Brainwash tatsächlich handelt, doch was spielt das schon für eine Rolle. Kritisch und ein ebenso couragiertes Projekt ist der Film alle mal, ganz unabhängig davon, ob es dabei nun um eine Documentary oder eine Mockumentary handelt.